Marokko 2013

 

Berichte von Anne +Otto

 

 

Bericht 1                   Bericht 2                   Bericht 3                   Bericht 4                   Bericht 5                   Bericht 6

 >Reiseroute                   >Exkurs - Geschichte der Ureinwohner

 

 

Masiren: Die freien Menschen Nordafrikas
Die Masiren wurden von den frühen Kolonialherren Nordafrikas "Berber" genannt. Der Name stammt vom griechischen "barbaroi". Barbaren waren für die Griechen alle, die nicht Griechisch, sondern für die Griechen unverständliche Sprachen benutzten. Die Römer dachten ähnlich
("barbarus"). Selbst die Araber übernahmen die Bezeichnung "Barber". Die Masiren selbst nennen sich "Imazighen" ("freie Menschen"). "Imazighen" ist die männliche Mehrzahlform, die weibliche Entsprechung ist "Timazighin". Die Sprache der Masiren heißt "Tamazight". Da der Kehllaut "gh" für Deutsche etwas schwierig nachzubilden ist, kann man auch
"Masiren" und "Masirisch" schreiben.

Ureinwohner Nordafrikas
Die Masiren sind Ureinwohner Nordafrikas. Sie waren schon dort, bevor die Phönizier diesen Teil der Mittelmeerküste besiedelten (seit dem 14. Jh. v. Chr.). Das Land der Masiren wird auch Maghreb genannt. Das ist Arabisch und bedeutet Westen. Die Arabischen Eroberer betrachteten Nordafrika seit dem 8. Jahrhundert als "Westen Arabiens".
In diesem Jahrhundert haben die Regierungen der "Maghreb-Staaten" (Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen und Mauretanien) gemeinsam eine Organisation gegründet, die sich "Union der Arabischen Staaten" nennt. Obwohl in allen diesen Staaten Masiren leben, scheinen sie, wenn man dergeographisch-politischen Namensgebung folgt, darin keinen Platz zu haben. Deshalb nennen die Masiren Nordafrika "Tamazgha", Land der Masiren.

In Marokko stellen Masiren mehr als 50 Prozent der Bevölkerung
Die Zahl der Menschen mit Masirisch als Muttersprache wird auf 20 bis 25 Millionen geschätzt. Die Regierungen Nordafrikas geben allerdingsniedrigere Zahlen an. Den größten Anteil an der Gesamtbevölkerung haben die Masiren in Marokko, nämlich mehr als 50 Prozent. In Algerien stellen sie 25 bis 30 Prozent. Auch die Tuareg, die in den Wüsten von Südalgerien, Südlibyen, Mali, Niger und Burkina Faso leben, sind Masiren. Sprachwissenschaftler sind sich uneinig, zu welcher Sprachgruppe das Masirische zählt. Manche sagen, es sei eine "afroasiatische" oder hamito-semitische Sprache, andere halten es für eine indo-europäische wie z.B. das Griechische. Wieder andere wollen eine Verwandtschaft mit dem Baskischen erkennen, das ebenfalls schwer zuzuordnen ist. Schließlich gibt es auch Wissenschaftler, die es aufgegeben haben, Masirisch klassifizieren zu wollen.
Die Masiren haben eine der ältesten Schriften der Welt entwickelt, das Tifinar. Sie wird vor allem von den Tuareg verwendet. In den nördlichen gebieten von Tamazgha ist das Schreiben in Tifinar weitgehend verloren gegangen. In den letzten Jahrzehnten, in denen vor allem masirische Jugendliche wieder in der Muttersprache schreiben wollten, hat sich die lateinische Schrift durchgesetzt. Das Tifinar wird mehr zur Dekoration oder als Kennzeichen der eigenen Identität benutzt. Ohnehin lebt das masirische vor allem in einer mündlichen Kultur. In den ländlichen Gegenden Nordafrikas sprechen die Menschen lieber miteinander als zu schreiben. Diese Art der Kommunikation hat viele Vorteile, Schönheiten und menschliche Wärme. Auch Märchen, Gedichte und Lieder werden mündlich überliefert und dazu auswendig gelernt. Im Laufe der Zeit hat das Masirische einen reichen Schatz an Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt. In der Liebe z.B. werden viele Wörter für Tiere oder Pflanzen als Metaphern verwendet. Jemand spricht mit den Sternen, dem Regen oder der Sonne, gemeint ist aber die oder der Geliebte.

Das Masirische ist bedroht
Dennoch ist das Masirische heute bedroht. In Algerien z.B. wurde in der Verfassung 1996 das Arabische als einzige offizielle Sprache festgeschrieben. Jahrelange Schulboykotte junger Masiren in der Kabylei haben zwar durchgesetzt, dass zumindest in dieser Masirenhochburg an einigen Schulen Masirisch gelehrt wird. Ansonsten wird aber weiterhin inArabisch oder Französisch unterrichtet. es ist noch ein weiter Weg, bis sich das Masirische als Schrift- oder Verkehrssprache voll entfalten kann. Keine Sprache darf den Anspruch erheben, besser als eine andere zu sein. Wichtig ist die gegenseitige Anerkennung. Die eigene Sprache zu sprechen ist ein Menschenrecht.

Ein masirisches Sprichwort besagt: "A nedder s tbexsisin, wala a nili seddaw uzaglu!" Zu deutsch: "Besser nur von Feigen leben als im Wohlstand Unterdrückung erdulden."

 

aus: gesellschaft für bedroht völker, http://www.gfbv.de Masiren: Die freien Menschen Nordafrikas
Dr. Akhli Kebaili 1998

 

Geschichte
Das Auffallendean der masirischen Geschichte ist, dass die Masiren von Anfang an für die Erhaltung ihrer Region kämpfen mussten und in eine defensive Haltung gedrängt wurden. Sie mussten sich und ihre Heimat gegen mehrere Völker und Nationen verteidigen (Araber, Franzosen, etc.), die ihre Region besetzen wollten. Und deshalb wundert es keinem Sachkundigen , wenn er feststellt , dass die ersten Nachrichten über die Masiren über einige Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Altenägypter berichten. Die Altenägypter bezeichneten ihre westlichen Nachbarn als " Fürsten von Libyen ". Ältere Dokumente geben uns wertvolle Informationen über die damaligen Verhältnisse u.a. über den Sieg eines Berbers Namens Scheschonq und die Gründung der 22. Ägyptischen Dynastie, die Berberisch war und von 945 bis 730 v.Ch gedauert hatte.
Nach diesen ägyptisch-berberischen Auseinandersetzungen kamen nun die Griechen nach Nordafrika und wollten die Küste um die Stadt " Cyrenae "(heute Barqa / Tunesien ) besiedeln. Dort gründeten sie sogar die " Pentapolis " ( Die fünf Städte ), um ihre Macht zu festigen. Der griechische Dichter Kallimachos , der in Cyrenae geboren wurde , also auf dem afrikanischen Kontinent, hielt einige Informationen über diese Zeit in seinen Gedichten fest. Die Masiren kämpften unter Führung von Adrian solange mit den Griechen bis die nordafrikanische Küste wieder
unter ihrer Kontrolle brachten.
Die Heirat des Berbers " Yarbas " mit der Punierin (Karthagin ) "Alissa" , die auch unter dem Namen " Didon " bekannt ist, war der Anfang der Beziehungen zwischen den Masiren und den Punier/Karthager . Als es zur Ausbreitung der punischen Kultur und Wirtschaft kam und die Karthager (Punier) nicht nur Handel betreiben und Waren austauschen , sondern ganz Nordafrika kontrollieren wollten, kam es dann zu den ersten Wiederstände der Masiren unter Führung von " Mathos " gegen die Puniern und ihre Hauptstadt Karthago. Karthago verstand die Situation und suchte die Integration einiger Masiren in den Staatsdienst und Militär, die später zur Ausbreitung der karthagischen Herrschaft im Mittelmeerraumes beitrugen. Als " Hannibal " , ein Masire (!) im Dienst Karthagos , Italien unter Kontrolle brachte, waren die Römer noch mit sich selbst beschäftigt und warteten noch auf ihre koloniale Stunde in Nordafrika. Die alten kriegerischen Auseinandersetzungen und die gegenseitige Miss- und Beachtung zwischen den Masiren und anderen Völkern , finden sich auch in vielen Büchern wieder.
Der griechische Historiker und Vater der Geschichtsschreibung Herodotos gibt in dem Buch IV ( Über Nordafrika ) viele Informationen über die Masiren, die er Libyer , in Anlehnung an die alte ägyptische Bezeichnung "Fürsten von Libyen" , nennt. Einige Wertvolle Informationen von Herodotos kann man in der deutschen Übersetzung des IV Buches von Richard Neumann lesen. Wir erfahren z. B , dass die Griechen das Fahren mit dem Vier-Gespann und einige Tradition von den Libyern (Berber) übernahmen. Die Informationen von Herodotos sind neben einigen Hinweise über alte Fürsten in den hieroglyphischen Inschriften der Altenägypter die ältesten Dokumente über uns.


Das Wort Berber und seine Bedeutung
Herodotos schreibt auch , dass die Libyer sich selbst Imasiren nennen.
Später wurden Imasiren als Berber bezeichnet , ein Wort , das sich aus dem Griechischen " Warwarus Pl. Warwari " leitet und Nichtgriechischen bzw. Anderssprachige bezeichnete. Die Römer übernahmen dieses Wort nach lateinischer Aussprache " Barbari ", das sie , aus einem römischen Ethnozentrismus heraus, auf ihre Gegner anwendeten. Heute noch hat das Wort " Barbaren " eine Hochkonjunktur , weil man immer wieder neue Barbaren entdeckt, wenn sie das politische Geschäft stören. Dass diese neuzeitlichen " Barbaren " mit bestem Recht unterworfen , gelenkt und ausgebeutet werden durften, machte und macht immer noch das gute Gewissen europäischer Kolonial- und Weltpolitik aus. Die Römer führten auch neue Bezeichnung für die West-Masiren ( Marokko ) ein "Moros/Mauren", also die Dunkeln. Die arabischen Geschichtsschreiber übernahmen wiederum die Bezeichnung " Barbar " und passten es an ihre Sprache an. Mit dem arabischen Wort " Al-Barbar " bezeichnen die Araber bis heute die Masiren. Man kann in den alten Geschichtsbüchern über die Masiren Hass , Begeisterung , Neid , Wut und Anerkennung finden und lesen, aber eine objektive Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte und Rolle im Mittemeerraum ist nicht zu finden.

Wer die eigene Geschichte nicht geschrieben hatte , muss noch mehr lange forschen und zwischen den Zeilen lesen können, bis man eine eigene Geschichte in eigner Sprache verfasst hat. Die dauerhafte Beschäftigung der Masiren mit der Herrschaft anderer Völker führte zur Fragmentierung ihrer Kultur und Sprache. Eine stabile und starke Schriftkultur konnte sich aufgrund der politischen Ereignisse nicht entwickeln und durchsetzen konnte. Die masirische Sprache wurde trotzdem gesprochen. Versuche der Masiren , die eigene Kultur und Schrift durchzusetzen, wurden nur dann möglich als die Masiren sich stark fühlten und politisch stabil waren. Massinissa , einer der mächtigsten Könige des damaligen Mittelmeersraums führte sowohl das nationale Alphabet der Masiren (Tifinagh) als auch neue landwirtschaftliche Techniken. In dieser Zeit entstanden auch die ältesten Schriftdokumente der Masiren. Die heutigen Masiren versuchen seit den Sechziger Jahren ihre Sprache und Kultur ohne Hilfe des Staates zu verschriften und entwickeln. Wir wollen sie für die künftigen Generationen erhalten und attraktiver machen.


Tamazgha , also Nordafrika in masirischer Sprache, diente für die Römer nur als " Kornspeicher " und für die Araber später nur als Frauenparadies. Alle Kolonisatoren haben sich nie für die Sprache der Einheimischen interessiert, weil sie ihre Sprache und Kultur politisch durchgesetzt hatten. Aber ein Teil der Schuld tragen auch die Masiren selbst, die Griechisch und Latein schrieben und Tamazight dem Zufall überließen. Heute sind viele Masiren zwei- oder sogar dreisprachig , aber viele von Ihnen wollen , aufgrund der Vereinheitlichungspolitik (Arabisierung ) ihre Muttersprache "Tamazight", die immer noch von 50 %der Marokkaner und 30% der Algerier gesprochen wird, als eine nationale und offizielle Sprache neben dem Arabischen in die Verfassungen der nordafrikanischen Staaten (Marokko und Algerien ) durchsetzen. Dieser Text soll nur als Anregung und Orientierungshilfe für diejenigen sein, die sich für Tamazight und Imazighen interessieren und bereit sind eine der ältesten Mittelmeerkulturen und Nationen zu verstehen und kennenzulernen.
 

 

 

 

Bericht 1                   Bericht 2                   Bericht 3                   Bericht 4                   Bericht 5                   Bericht 6

 

 >Reiseroute                   >Exkurs - Geschichte der Ureinwohner