Masiren:
Die freien Menschen Nordafrikas
Die Masiren wurden von den frühen Kolonialherren Nordafrikas
"Berber" genannt. Der Name stammt vom griechischen "barbaroi".
Barbaren waren für die Griechen alle, die nicht Griechisch, sondern
für die Griechen unverständliche Sprachen benutzten. Die Römer
dachten ähnlich
("barbarus"). Selbst die Araber übernahmen die Bezeichnung "Barber".
Die Masiren selbst nennen sich "Imazighen" ("freie Menschen"). "Imazighen"
ist die männliche Mehrzahlform, die weibliche Entsprechung ist "Timazighin".
Die Sprache der Masiren heißt "Tamazight". Da der Kehllaut "gh" für
Deutsche etwas schwierig nachzubilden ist, kann man auch
"Masiren" und "Masirisch" schreiben.
Ureinwohner Nordafrikas
Die Masiren sind Ureinwohner Nordafrikas. Sie waren schon dort,
bevor die Phönizier diesen Teil der Mittelmeerküste besiedelten
(seit dem 14. Jh. v. Chr.). Das Land der Masiren wird auch Maghreb
genannt. Das ist Arabisch und bedeutet Westen. Die Arabischen
Eroberer betrachteten Nordafrika seit dem 8. Jahrhundert als "Westen
Arabiens".
In diesem Jahrhundert haben die Regierungen der "Maghreb-Staaten"
(Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen und Mauretanien) gemeinsam eine
Organisation gegründet, die sich "Union der Arabischen Staaten"
nennt. Obwohl in allen diesen Staaten Masiren leben, scheinen sie,
wenn man dergeographisch-politischen Namensgebung folgt, darin
keinen Platz zu haben. Deshalb nennen die Masiren Nordafrika "Tamazgha",
Land der Masiren.
In Marokko stellen Masiren mehr als 50 Prozent der Bevölkerung
Die Zahl der Menschen mit Masirisch als Muttersprache wird auf 20
bis 25 Millionen geschätzt. Die Regierungen Nordafrikas geben
allerdingsniedrigere Zahlen an. Den größten Anteil an der
Gesamtbevölkerung haben die Masiren in Marokko, nämlich mehr als 50
Prozent. In Algerien stellen sie 25 bis 30 Prozent. Auch die Tuareg,
die in den Wüsten von Südalgerien, Südlibyen, Mali, Niger und
Burkina Faso leben, sind Masiren. Sprachwissenschaftler sind sich
uneinig, zu welcher Sprachgruppe das Masirische zählt. Manche sagen,
es sei eine "afroasiatische" oder hamito-semitische Sprache, andere
halten es für eine indo-europäische wie z.B. das Griechische. Wieder
andere wollen eine Verwandtschaft mit dem Baskischen erkennen, das
ebenfalls schwer zuzuordnen ist. Schließlich gibt es auch
Wissenschaftler, die es aufgegeben haben, Masirisch klassifizieren
zu wollen.
Die Masiren haben eine der ältesten Schriften der Welt entwickelt,
das Tifinar. Sie wird vor allem von den Tuareg verwendet. In den
nördlichen gebieten von Tamazgha ist das Schreiben in Tifinar
weitgehend verloren gegangen. In den letzten Jahrzehnten, in denen
vor allem masirische Jugendliche wieder in der Muttersprache
schreiben wollten, hat sich die lateinische Schrift durchgesetzt.
Das Tifinar wird mehr zur Dekoration oder als Kennzeichen der
eigenen Identität benutzt. Ohnehin lebt das masirische vor allem in
einer mündlichen Kultur. In den ländlichen Gegenden Nordafrikas
sprechen die Menschen lieber miteinander als zu schreiben. Diese Art
der Kommunikation hat viele Vorteile, Schönheiten und menschliche
Wärme. Auch Märchen, Gedichte und Lieder werden mündlich überliefert
und dazu auswendig gelernt. Im Laufe der Zeit hat das Masirische
einen reichen Schatz an Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt. In der
Liebe z.B. werden viele Wörter für Tiere oder Pflanzen als Metaphern
verwendet. Jemand spricht mit den Sternen, dem Regen oder der Sonne,
gemeint ist aber die oder der Geliebte.
Das Masirische ist bedroht
Dennoch ist das Masirische heute bedroht. In Algerien z.B. wurde in
der Verfassung 1996 das Arabische als einzige offizielle Sprache
festgeschrieben. Jahrelange Schulboykotte junger Masiren in der
Kabylei haben zwar durchgesetzt, dass zumindest in dieser
Masirenhochburg an einigen Schulen Masirisch gelehrt wird. Ansonsten
wird aber weiterhin inArabisch oder Französisch unterrichtet. es ist
noch ein weiter Weg, bis sich das Masirische als Schrift- oder
Verkehrssprache voll entfalten kann. Keine Sprache darf den Anspruch
erheben, besser als eine andere zu sein. Wichtig ist die
gegenseitige Anerkennung. Die eigene Sprache zu sprechen ist ein
Menschenrecht.
Ein
masirisches Sprichwort besagt: "A nedder s tbexsisin, wala a nili
seddaw uzaglu!" Zu deutsch: "Besser nur von Feigen leben als im
Wohlstand Unterdrückung erdulden."
aus: gesellschaft für bedroht völker, http://www.gfbv.de Masiren:
Die freien Menschen Nordafrikas
Dr. Akhli Kebaili 1998
Geschichte
Das Auffallendean der masirischen Geschichte ist, dass die
Masiren von Anfang an für die Erhaltung ihrer Region kämpfen mussten
und in eine defensive Haltung gedrängt wurden. Sie mussten sich und
ihre Heimat gegen mehrere Völker und Nationen verteidigen (Araber,
Franzosen, etc.), die ihre Region besetzen wollten. Und deshalb
wundert es keinem Sachkundigen , wenn er feststellt , dass die
ersten Nachrichten über die Masiren über einige Auseinandersetzungen
zwischen ihnen und den Altenägypter berichten. Die Altenägypter
bezeichneten ihre westlichen Nachbarn als " Fürsten von Libyen ".
Ältere Dokumente geben uns wertvolle Informationen über die
damaligen Verhältnisse u.a. über den Sieg eines Berbers Namens
Scheschonq und die Gründung der 22. Ägyptischen Dynastie, die
Berberisch war und von 945 bis 730 v.Ch gedauert hatte.
Nach diesen ägyptisch-berberischen Auseinandersetzungen kamen nun
die Griechen nach Nordafrika und wollten die Küste um die Stadt "
Cyrenae "(heute Barqa / Tunesien ) besiedeln. Dort gründeten sie
sogar die " Pentapolis " ( Die fünf Städte ), um ihre Macht zu
festigen. Der griechische Dichter Kallimachos , der in Cyrenae
geboren wurde , also auf dem afrikanischen Kontinent, hielt einige
Informationen über diese Zeit in seinen Gedichten fest. Die Masiren
kämpften unter Führung von Adrian solange mit den Griechen bis die
nordafrikanische Küste wieder
unter ihrer Kontrolle brachten.
Die Heirat des Berbers " Yarbas " mit der Punierin (Karthagin )
"Alissa" , die auch unter dem Namen " Didon " bekannt ist, war der
Anfang der Beziehungen zwischen den Masiren und den Punier/Karthager
. Als es zur Ausbreitung der punischen Kultur und Wirtschaft kam und
die Karthager (Punier) nicht nur Handel betreiben und Waren
austauschen , sondern ganz Nordafrika kontrollieren wollten, kam es
dann zu den ersten Wiederstände der Masiren unter Führung von "
Mathos " gegen die Puniern und ihre Hauptstadt Karthago. Karthago
verstand die Situation und suchte die Integration einiger Masiren in
den Staatsdienst und Militär, die später zur Ausbreitung der
karthagischen Herrschaft im Mittelmeerraumes beitrugen. Als "
Hannibal " , ein Masire (!) im Dienst Karthagos , Italien unter
Kontrolle brachte, waren die Römer noch mit sich selbst beschäftigt
und warteten noch auf ihre koloniale Stunde in Nordafrika. Die alten
kriegerischen Auseinandersetzungen und die gegenseitige Miss- und
Beachtung zwischen den Masiren und anderen Völkern , finden sich
auch in vielen Büchern wieder.
Der griechische Historiker und Vater der Geschichtsschreibung
Herodotos gibt in dem Buch IV ( Über Nordafrika ) viele
Informationen über die Masiren, die er Libyer , in Anlehnung an die
alte ägyptische Bezeichnung "Fürsten von Libyen" , nennt. Einige
Wertvolle Informationen von Herodotos kann man in der deutschen
Übersetzung des IV Buches von Richard Neumann lesen. Wir erfahren z.
B , dass die Griechen das Fahren mit dem Vier-Gespann und einige
Tradition von den Libyern (Berber) übernahmen. Die Informationen von
Herodotos sind neben einigen Hinweise über alte Fürsten in den
hieroglyphischen Inschriften der Altenägypter die ältesten Dokumente
über uns.
Das Wort Berber und seine Bedeutung
Herodotos schreibt auch , dass die Libyer sich selbst Imasiren
nennen.
Später wurden Imasiren als Berber bezeichnet , ein Wort , das sich
aus dem Griechischen " Warwarus Pl. Warwari " leitet und
Nichtgriechischen bzw. Anderssprachige bezeichnete. Die Römer
übernahmen dieses Wort nach lateinischer Aussprache " Barbari ", das
sie , aus einem römischen Ethnozentrismus heraus, auf ihre Gegner
anwendeten. Heute noch hat das Wort " Barbaren " eine Hochkonjunktur
, weil man immer wieder neue Barbaren entdeckt, wenn sie das
politische Geschäft stören. Dass diese neuzeitlichen " Barbaren "
mit bestem Recht unterworfen , gelenkt und ausgebeutet werden
durften, machte und macht immer noch das gute Gewissen europäischer
Kolonial- und Weltpolitik aus. Die Römer führten auch neue
Bezeichnung für die West-Masiren ( Marokko ) ein "Moros/Mauren",
also die Dunkeln. Die arabischen Geschichtsschreiber übernahmen
wiederum die Bezeichnung " Barbar " und passten es an ihre Sprache
an. Mit dem arabischen Wort " Al-Barbar " bezeichnen die Araber bis
heute die Masiren. Man kann in den alten Geschichtsbüchern über die
Masiren Hass , Begeisterung , Neid , Wut und Anerkennung finden und
lesen, aber eine objektive Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte
und Rolle im Mittemeerraum ist nicht zu finden.
Wer die eigene Geschichte nicht geschrieben hatte , muss noch mehr
lange forschen und zwischen den Zeilen lesen können, bis man eine
eigene Geschichte in eigner Sprache verfasst hat. Die dauerhafte
Beschäftigung der Masiren mit der Herrschaft anderer Völker führte
zur Fragmentierung ihrer Kultur und Sprache. Eine stabile und starke
Schriftkultur konnte sich aufgrund der politischen Ereignisse nicht
entwickeln und durchsetzen konnte. Die masirische Sprache wurde
trotzdem gesprochen. Versuche der Masiren , die eigene Kultur und
Schrift durchzusetzen, wurden nur dann möglich als die Masiren sich
stark fühlten und politisch stabil waren. Massinissa , einer der
mächtigsten Könige des damaligen Mittelmeersraums führte sowohl das
nationale Alphabet der Masiren (Tifinagh) als auch neue
landwirtschaftliche Techniken. In dieser Zeit entstanden auch die
ältesten Schriftdokumente der Masiren. Die heutigen Masiren
versuchen seit den Sechziger Jahren ihre Sprache und Kultur ohne
Hilfe des Staates zu verschriften und entwickeln. Wir wollen sie für
die künftigen Generationen erhalten und attraktiver machen.
Tamazgha , also Nordafrika in masirischer Sprache, diente für die
Römer nur als " Kornspeicher " und für die Araber später nur als
Frauenparadies. Alle Kolonisatoren haben sich nie für die Sprache
der Einheimischen interessiert, weil sie ihre Sprache und Kultur
politisch durchgesetzt hatten. Aber ein Teil der Schuld tragen auch
die Masiren selbst, die Griechisch und Latein schrieben und
Tamazight dem Zufall überließen. Heute sind viele Masiren zwei- oder
sogar dreisprachig , aber viele von Ihnen wollen , aufgrund der
Vereinheitlichungspolitik (Arabisierung ) ihre Muttersprache
"Tamazight", die immer noch von 50 %der Marokkaner und 30% der
Algerier gesprochen wird, als eine nationale und offizielle Sprache
neben dem Arabischen in die Verfassungen der nordafrikanischen
Staaten (Marokko und Algerien ) durchsetzen. Dieser Text soll nur
als Anregung und Orientierungshilfe für diejenigen sein, die sich
für Tamazight und Imazighen interessieren und bereit sind eine der
ältesten Mittelmeerkulturen und Nationen zu verstehen und
kennenzulernen.
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